Ladinien, das Land der Ladiner
Das Grödner Tal, das Gadertal, das Buchensteintal, das Fassatal und das Boitetal sind Täler, welche vom bekannten Sella-Massiv sternförmig ausgehen. Diese Täler liegen im nördlichen Italien in den Provinzen Südtirol, Belluno und Trient. Auch wenn es sich um ein Gebiet im nördlichen Italien handelt, handelt es sich hier um Ladinien. Dieses Land ist zwar in keiner offiziellen Liste der Staaten zu finden, existiert aber dennoch. Dabei gehören Ladinien und die hier etwa 30.000 lebenden Ladiner zu einem Volksstamm, mit dem eine sehr lange Geschichte verbunden ist.
Ladinien hat eine Fläche von etwa 1.300 Quadratkilometern, die Farben der Ladiner-Fahnen sind blau, weiß und grün. Das Blau steht für die Farbe des Himmels, das Weiß für die Farbe der schneebedeckten Berge und das Grün für die sattgrünen Wiesen, welche hier zu finden sind.
Die Ladiner und ihre Geschichte
Der Beginn des heutigen Ladiniens geht bis auf die Bronzezeit zurück. Schon zu jener Zeit wurde dieses Gebiet erstmals besiedelt. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich die Bewohner Ladiniens immer weiter, sodass im 5. Jahrhundert vor Christus bereits eine sehr hohe Kulturstufe erreicht wurde.
Während sich heute Ladinien auf die genannten Täler erstreckt, war das Gebiet der Ladiner einst wesentlich größer. Es erstreckte sich von der Donau im Norden bis zum Gardasee im Süden und vom St. Gotthardspass im Westen bis nach Triest im Osten.
In der jüngeren Geschichte wurde Tirol geteilt, wobei Südtirol Italien zugeordnet wurde. Damit gehörte auch Ladinien zum italienischen Staatsgebiet, wo die Faschisten die Identität der Südtiroler und der Ladiner eliminieren wollte. Der Pariser Friedensvertrag im Jahr 1946 gewährte den Südtirolern und auch den Ladinern eine Art Autonomiestatut. Die einstige Italienisierung des Gebietes brachte es mit sich, dass die Ladiner darum kämpften, ihre Traditionen und Sprache zu erhalten. Dies ist noch heute förmlich spürbar, wenn man in dieses Gebiet kommt und sich mit Einheimischen unterhält. Die Ladiner sind nämlich Stolz auf ihre Tradition und ihren Brauchtum. Und so werden Tradition und Brauchtum auf religiösen Feiern und auf Hochzeiten noch heute aktiv zelebriert und gelebt.
Die Sprache der Ladiner
Die Sprache der Ladiner ist neben Deutsch und Italienisch die dritte Sprache, die in Südtirol gesprochen wird. Die Sprache wird nicht nur gesprochen, die ladinischen Bezeichnungen der Ortsnamen stehen beispielsweise auch auf den Ortsschildern. Damit ist jedem Besucher Ladiniens sofort klar, dass es sich hier um ein besonderes Gebiet handelt; die Ortsnamen sind hier auf drei Sprachen zu lesen – auf Deutsch, auf Italienisch und auf Ladinisch.
Die Wurzeln des Ladinischen liegen im Lateinischen. Damit handelt es sich beim Ladinischen um eine romanische Sprache. Durch die Völkerwanderungen wurde das Ladinische immer weiter zurückgedrängt, indem andere Spracheinflüsse, wie z. B. Bairisch, Slawisch, Alemannisch oder Norditalienisch durchschlugen. Ladinisch wird heute neben Ladinien auch noch in Teilen des Schweizer Kantons Graubündens und Friaul gesprochen.
Die gesprochene Sprache „Ladinisch“ ist schon sehr alt; die Schriftsprache ist hingegen relativ jung. Erstmals erscheint die Schriftsprache um die Jahrhundertwende vom 17. in das 18. Jahrhundert. Der Grund liegt darin, dass bis dahin die Überlieferungen von Mythen und Legenden nur mündlich erfolgten.
Dass auch die Sprache weiterhin am Leben gehalten wird, wird in den ladinischen Tälern in den Schulen einmal wöchentlich ein Unterricht in ladinischer Sprache gehalten. Wöchentlich erscheint auch die "Usc di Ladins", eine ladinischsprachige Zeitung.
Handwerkskunst und Gastfreundschaft
Vor allem in den Wintermonaten, wenn es in der Landwirtschaft nicht oder nur sehr wenig zu tun gab, gingen die Ladiner einem Handwerk nach. Ihr handwerkliches Geschick brachte es mit sich, dass sie sich schnell eine weitere Einnahmequelle erschlossen haben.
Im Grödner Tal entwickelte sich die Holzschnitzkunst, für die die Grödner weltweit bekannt und berühmt wurden. Vor allem die Fertigung von Holzspielzeug und von sakralen Kunstgegenständen brachte für die Grödner eine bedeutende Einnahmequelle. Aber auch in den anderen Tälern Ladinens brachte das Handwerk wirtschaftlichen Erfolg. Im Fassatal konzentrierten sich die Bewohner auf die Dekorationsmalerei, mit der Möbel und Stuben verziert wurden, im Buchensteintal entstand die Kunst des Schmiedens und im Gadertal stellten die Einheimischen Truhen her. Insgesamt brachten die verschiedenen Handwerkskünste für die Ladiner einen gewissen Wohlstand.
Neben den Handwerkskünsten ist auch die Gastfreundschaft hervorzuheben, die bei den Ladinern sehr ausgeprägt ist. Bei den Ladinern waren und sind Gäste stets willkommen. Der Tourismus in Ladinien begann gegen Mitte des 19. Jahrhunderts. Zunächst kamen in dieses Gebiet gut situierte Gäste, um die Sommerfrische in den höher gelegenen Regionen zu genießen. Später konnten auch Familien von den Zimmerangeboten profitieren, welches die Frauen der Bergbauern angeboten haben.
Der Tourismus in den ladinischen Tälern spielt heute nach wie vor eine bedeutende Rolle und stellt die Haupteinnahmequelle der Einheimischen dar. Die einmalige und traumhafte Landschaft inmitten den von der UNESO als Weltnaturerbe anerkannten Dolomiten ist ein Besuchermagnet für Urlauber und Feriengäste, welche seinesgleichen suchen.